Gute Wissenschaftliche Praxis (GWP)
Nachwuchswissenschaftler:innen stehen mehr denn je unter einem enormen Publikationsdruck, wobei sie aufgrund der akademischen Anforderungen oft Quantität über Qualität stellen. Streitigkeiten ergeben sich aus unklaren Richtlinien für die Autorenschaft, wobei Promovierende darum kämpfen, die ihnen zustehende Anerkennung zu erhalten, während hochrangige Forschenden ihren Einfluss geltend machen. Machtungleichgewichte erschweren die Karriere zusätzlich, und auch Mentorenschaft, Finanzierung und Möglichkeiten hängen von etablierten Forschenden ab, was die Interessenvertretung erschwert. Ohne starke institutionelle Unterstützung bleibt gute wissenschaftliche Praxis (GWP) eher ein Ideal als eine Realität. Die Universitäten müssen ethische Richtlinien für die Autorenschaft einführen, junge Wissenschaftler:innen vor Ausbeutung schützen und der Integrität der Forschung Vorrang vor reinen Publikationskennzahlen einräumen. Unserer Meinung nach kann nur ein Wandel in der Breite dafür sorgen, dass Forschende zu Beginn ihrer Karriere gedeihen, ohne dass ihr Wohlergehen oder ihre ethischen Grundsätze darunter leiden.
Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR)
Dorothee Bär leitet das neu gegründete BMFTR und weckt schwache Hoffnungen endlich notwendige Reformen in deutschen Forschungseinrichtungen einzuleiten. Die deutschen Forschenden erwarten Änderungen im WissZeitVG, um die Arbeitsplatzunsicherheit zu verringern, strukturelles Mobbing zu bekämpfen und die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Wir und andere Institutionen in der Wissenschaft fordern ein Gesetz, das endlich zu fairen Verträgen und ethischen Richtlinien führt, und die Erwartungen sind hoch. Die letzte Regierung konnte es leider nicht schaffen einen halbwegs guten Referentenentwurf zu erarbeiten. Unser Positionspapier zum WissZeitVG können Sie hier auf unserer Website lesen. Wird Bär sinnvolle Reformen durchsetzen, die Stabilität und Integrität in Forschendenkarrieren gewährleisten? Die wissenschaftliche Gemeinschaft schaut genau hin und hofft auf entschlossenes Handeln, um nachhaltige Verbesserungen bei der Beschäftigung von Wissenschaftler:innen herbeizuführen.
Nature: “Can Germany reign in its academic bullying problem?”
Ein Artikel in der Zeitschrift Nature (doi.org/10.1038/d41586-025-01207-8 ) befasst sich mit dem Problem des akademischen Mobbings in Deutschland und zeigt auf, wie starre Hierarchien und der gesetzliche Schutz für fest angestellte Professor:innen zu dem häufig vorkommenden Machtmissbrauch beitragen. Die Autor:innen beginnen mit dem Fall eines Biologie-Forschers, der jahrzehntelang den Nachwuchs seiner Arbeitsgruppe gemobbt und dabei Frauen und internationale Studenten ins Visier genommen hat – und das, obwohl die Universität von diesem Verhalten wusste. Aufgrund rechtlicher Beschränkungen tun sich die Universitäten schwer, Beschwerden nachzugehen, wodurch die Opfer schutzlos bleiben. In dem Artikel werden auch die Bemühungen des Netzwerks für nachhaltige Forschung erwähnt, sich für strukturelle Reformen einzusetzen, die den wissenschaftlichen Nachwuchs schützen und die Arbeitsbedingungen verbessern. „Es wird als kulturell normal angesehen – so ist die Wissenschaft nun einmal“, sagt Daniel Leising, Psychologieforscher und Professor an der Technischen Universität Dresden in Deutschland. Wir empfehlen Euch sehr, den gesamten Artikel zu lesen und mit Kolleg:innen eine Diskussion über bessere Arbeitsbedingungen zu beginnen. Solltest Du mit jemandem über Probleme an deinem Arbeitsplatz sprechen wollen, kannst Du dich gerne an uns wenden.
Ein Netzwerk um Betroffenen von Machtmissbrauch zu helfen
Das Netzwerk Machtmissbrauch in der Wissenschaft e.V. unterstützt Betroffene von Machtmissbrauch in der Wissenschaft und setzt sich für faire Arbeitsbedingungen ein. Das Netzwerk sensibilisiert akademische Institutionen, fördert Transparenz und setzt sich für strukturelle Reformen ein, um Ausbeutung zu verhindern. Durch die Förderung eines offenen Dialogs und die Bereitstellung unabhängiger Beratung will das Netzwerk ein sichereres und gerechteres Forschungsumfeld schaffen, in dem Integrität und ethische Standards gewahrt bleiben.
Politischer Druck auf Harvard wächst
Derzeit führt die Harvard-Universität einen Rechtsstreit gegen die Trump-Administration wegen eines Verbots, das die Universität daran hindert, internationale Student:innen zu immatrikulieren. Die Beschränkung bedroht Tausende von Studierende und beeinträchtigt akademische Laufbahnen und Forschungsbemühungen. Wir teilen die Auffassung von Harvard, dass das Verbot politisch motiviert ist und gegen die Verfassung der USA verstößt. Ein Bundesrichter hat das Verbot vorübergehend gestoppt, aber das Verfahren geht weiter. Die Universität setzt sich weiterhin für die akademische Freiheit und den Schutz internationaler Wissenschaftler:innen ein. Wir rufen weitere akademische und politische Einrichtungen auf, sich gegen den anhaltenden Rechtsruck zu wehren, der die Freiheit von Forschung und Forschenden unterdrücken will. Im April haben wir bereits ein Positionspapier veröffentlicht, das sich mit internationalen Wissenschaftler:innen in den USA befasst.